Der Musikverein Grünkraut blickt auf eine nun über 100 jährige Geschichte zurück. Im Zuge unseres Jubiläums im Jahr 2009 haben wir uns intensive mit der Vergangenheit unseres Vereins beschäftigt und konnten dabei einen erstaunlichen Fundus an Text- und Bildmaterial zu Tage fördern. Lesen Sie weiter und begleiten Sie uns durch die Jahrzehnte.

Die Anfangsjahre

Jakob Schuhmacher, Zimmermann, Lochmühle, gründete 1909 in Grünkraut eine Musikgesellschaft, deren ältestes Zeugnis ein Foto aus diesem Jahr ist. Es zeigt ihn mit 19 weiteren Musikern. 1913 feierten sie Fahnenweihe. Eine Uniform gab es nicht. Man trat im schwarzen Anzug mit weißem Hemd auf. Jakob Schuhmacher hatte sich vorher schon in Waldburg, seinem Geburtsort, bei der Bürgerwehr als Posaunist und Dirigent betätigt. Bis 1920 blieb er der von ihm gegründeten Kapelle in Grünkraut als Dirigent treu, bis er wegen seiner schlechten Gesundheit den Dirigentenstab an Josef Steinhauser weiterreichte.

Durch viele Jahre hindurch bewahrten ihm seine Musiker ihre Treue. Nicht alles ist lückenlos berichtet, aber 1936 wird von einem Ständchen berichtet, das sie ihm darbrachten, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte und sich, wie im Protokoll vermerkt, zu „seiner Einsamkeit und Gebrechlichkeit der Wunsch gesellte, seine Gründungskapelle noch einmal hören zu dürfen“.

Auch zum 30-jährigen Jubiläum der Kapelle, 1939, ließen es sich die Musiker nicht nehmen, ihm, „der sein Haus nicht mehr verlassen konnte“, aufzuspielen. „Sichtlich gerührt dankte der Geehrte für diese Überraschung. Es ist erfreulich und eine Genugtuung, im Alter sein Wirken und Können gewürdigt zu sehen.“ 1940 erwiesen ihm seine Musiker am Grab die letzte Ehre.

Jakob Schuhmacher
Jakob Schuhmacher
Anfangsjahre Musikverein Grünkraut
Erste Musikgesellschaft Grünkraut. Von links nach rechts stehend: Mathias Locher, Josef Haag, Karl Amrein, Josef Eichelberger, Jakob Schuhmacher, Josef Rothmund, Georg Locher, Josef Steinhauser, Josef Kresser (Gruben), Eduard Schlichte Von links nach rechts sitzend: Josef Lochmiller, Josef Kresser (Kronhalde),Karl Schlichte, Josef Nadig, Klemens Klink, Wilhelm Mayer, Baptist Veser, Anton Weishaupt Von links nach rechts liegend: Wilhelm Rixinger, Silvester Stiele
Gründung eines neuen Vereins

Es folgte eine Zeit, in der die Dirigenten in kürzeren Abständen wechselten. Nachdem Josef Steinhauser mit 27 Jahren den Dirigentenstab übernommen und die Musikgesellschaft vier Jahre lang geführt hatte, rief Hermann Rehfeld aus Ravensburg in einer Versammlung am 6. Juli 1924, die im Anschluss an die Hauptversammlung des Kriegervereins abgehalten wurde, zur Gründung eines Vereins auf und stellte dessen Nutzen dar. In einem Verein war es möglich, auch passive Mitglieder aufzunehmen, die die Musiker nach Kräften unterstützen konnten und durch ihre Beiträge eine finanzielle Grundlage schufen. Die Musiker beschlossen also, die Musikgesellschaft in einen Verein umzuwandeln. Sehr viele Mitglieder des Kriegervereins traten in den neuen Musikverein ein.

Mit einem Schlag konnten 40 Mitglieder gewonnen werden.
Zum Dirigenten wählten sie Hermann Rehfeld. Josef Steinhauser wurde 2. Dirigent und Corpsleiter. Das Amt des 1. Vorstands übernahm Schultheiß Igel.Er führte den Verein 18 Jahre lang bis 1938. Ihm zur Seite stand ein Ausschuss von drei aktiven und drei passiven Mitgliedern. Kassier wurde Gottlieb Nothacker, Ritteln, Schriftführer Anton Martin, Atzenweiler.

Schultheiß Igel
Schultheiß Igel
Personen der ersten Stunde

Alles, was wir vom Musikverein lesen, ist geprägt von einer bewundernswerten Beständigkeit, nicht nur in den Anlässen zu denen gespielt wird, sondern vor allem auch durch die Treue aller Mitglieder. Wir begegnen bis heute den gleichen Namen, denn die Familien führen die Tradition fort.

Mit Anton Martin, zunächst Schriftführer, taucht so ein Name auf, der in der Geschichte des Vereins neben anderen beispielhaft ist. Von der ersten Stunde an hat dieser Mann seine ganze Kraft dem Verein gewidmet. Nachdem sich schon in der ersten Ausschusssitzung das Personalkarussell drehte, weil Josef Steinhauser die Aufgabe des Corpsführers und 2. Dirigenten doch nicht wahrnehmen wollte, wurde Anton Martin Corpsführer und 2. Dirigent.

Fast jede Weihnachtsfeier hat er eröffnet. Am 1. September 1939 zog man ihn zum Polenfeldzug ein. Er hatte aber das Glück, im Februar 1940 zur Jahres-hauptversammlung wieder zurück in der Heimat zu sein, und war ab da ununterbrochen für den Verein tätig.

Für seine Musiker tat er alles, etwa, dass er in ärmlichen Zeiten Noten von Hand für sie abschrieb. Ein solches Notenbuch kann man heute noch bewundern.

Weitere Namen begegnen uns in den schriftlichen Zeugnissen in seltener Beständigkeit. Da ist z. B. der Name des Schriftführers Anton Schütterle, der von 1928 bis zum Kriegsende alle Begebenheiten treulich festhielt. Es ist der Vater unseres Fahnenbegleiters Anton Schütterle. Ebenso stetig begleitet uns der Name Joseph Reich. Er führte von 1928 bis Kriegsende die Kasse.

Anton Martin
Anton Martin
Finanzen

Das erste Jahr als Verein, war für die Musikkapelle nicht leicht. Man kann nur staunen, was sie alles bewältigte. Wegen der Umstellung auf andere Stimmung mussten neue Instrumente angeschafft werden, auch traten weitere Aktive ein, die Instrumente brauchten. Die Inflation war gerade verkraftet worden. Es war das erste Mal, dass von größeren Schulden die Rede war. 1.500 Mark hatten die Instrumente gekostet (gekauft bei Reiser in Ulm). Die Gemeinde mochte die Schuld nicht übernehmen gegen Übereignung der Instrumente, was vorgeschlagen wurde. Was sollte sie auch mit den Instrumenten? Aber sie gab einen einmaligen Zuschuss von 200 Mark. Rund 800 Mark hatten die Musiker bis dahin selbst aufgebracht.

Das erste Jahr als Verein, war für die Musikkapelle nicht leicht. Man kann nur staunen, was sie alles bewältigte. Wegen der Umstellung auf andere Stimmung mussten neue Instrumente angeschafft werden, auch traten weitere Aktive ein, die Instrumente brauchten. Die Inflation war gerade verkraftet worden. Es war das erste Mal, dass von größeren Schulden die Rede war. 1.500 Mark hatten die Instrumente gekostet (gekauft bei Reiser in Ulm). Die Gemeinde mochte die Schuld nicht übernehmen gegen Übereignung der Instrumente, was vorgeschlagen wurde. Was sollte sie auch mit den Instrumenten? Aber sie gab einen einmaligen Zuschuss von 200 Mark. Rund 800 Mark hatten die Musiker bis dahin selbst aufgebracht.

Es gab auch edle Spender in den Reihen der passiven Mitglieder. Einer, der wohl recht kräftig unterstützt hat, war Mühlenbesitzer Josef Spieß aus Sigmarshofen. Nicht in diesem speziellen Fall wird das erwähnt, aber als er 1929 starb, berichtet der Chronist über die großzügige Unterstützung, die der Musikverein durch ihn erfuhr, und zählt ihn zu den Mitgliedern, „die dem Musikverein am nächsten standen“. Schon ein Jahr später waren die Schulden getilgt – erstaunlich nach der Wirtschaftskrise. Es war beschlossen worden, den Jahresbeitrag von zwei Mark auf drei Mark anzuheben und bei vielen Konzerten und Veranstaltungen Geld einzuspielen. Die Beiträge für Beerdigungen ordnete man neu, zu Weihnachten wurde Theater gespielt. Immer warben die Musiker fleißig um passive Mitglieder. Bei jeder Generalversammlung wird von Neuzugängen berichtet. Durchschnittlich bewegte sich die Mitgliederzahl um 100.

Mitgliedskarte
Musikverein Grünkraut Mitgliedskarte 1924

Gegen Ende 1927 entschloss man sich, Uniformen anzuschaffen. Diese sollten bis zum Musikfest in Horgenzell 1928 da sein. Wie sollte das bezahlt werden? Man kam auf die Idee, Anteilscheine für 1 Mark an die Bevölkerung zu verkaufen. Mit diesen Anteilscheinen gab es dann zu verschiedenen Anlässen eine Verlosung.

Auch spielten die Musiker, die sonst für ihre Auftritte ein kleines persönliches Entgelt erhielten, so ist wenigstens aus dieser Bemerkung im Protokoll zu schließen, im Jahr 1928 ausschließlich für die Vereinskasse. Ebenso hat die Gemeinde die unermüdliche Bereitschaft der Musiker, jederzeit zu den verschiedenen Anlässen in Gemeinde und Kirche einen Beitrag zu leisten, immer anerkannt und mit Geld unterstützt. So ist es bis heute geblieben.

Welche Leistungen die Kapelle vollbrachte, mag beispielhaft das Programm des Jahres 1929 zeigen. Es war das Jahr der großen Wirtschaftskrise, aber den Aktivitäten hat das keinen Abbruch getan: 50 Proben, 3 Platzkonzerte, 1 Weihnachtskonzert. „Ausgerückt“ ist die Kapelle am Weißen Sonntag, am Blutfreitag, am Fronleichnamstag, am Kirchweihfest, zu zwei Beerdigungen, mit dem Kriegerverein nach Ettishofen-Berg, mit dem Krankenunterstützungsverein Knollengraben, zu zwei Kriegergedächtnisfeiern und vier Ständchen

Anteilschein Musikverein Grünkraut 1927
Musikverein Grünkraut Anteilsschein von 1927
Leistungssteigerung

Musikalisch war in den ersten Jahren unter dem Dirigent Hermann Rehfeld ein großer Fortschritt zu erkennen, der sich auch nach seinem Weggang fortsetzte. Es gab kaum ein Jahr, in dem die Musiker nicht ein Musikfest mit „Preisspiel“, wie sie es damals nannten, besuchten.

Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Gleich im ersten Jahr 1924 stellte sich die Musikkapelle beim Musikfest in Langenargen dem Wettbewerb in der Anfängerstufe und errang einen 1b Preis mit 87 Punkten.

1926 in Tettnang: Unterstufe 1a Preis mit 112 Punkten,
1927 in Zussdorf: gehobene Unterstufe 1a Preis mit 120 Punkten
1928 in Horgenzell: Mittelstufe 1a Preis mit 129 Punkten
1929 in Weißenau: Mittelstufe 1a Preis mit 89 Punkten (Marschwettbewerb)
1930 in Baienfurt: Oberstufe 1a Preis
Dann versiegen die Nachrichten über Musikwettbewerbe. Die Schwerpunkte scheinen anders gesetzt zu sein.

Nach dem Musikfest in Horgenzell nahm Dirigent Rehfeld seinen Abschied von Grünkraut, weil er sich beruflich veränderte. Neuer Dirigent wurde Paul Beyer, den die Kapelle schon 1932 wieder im Zuge der schlechten Wirtschaftslage verlor. Das Arbeitsamt verbot Herrn Beyer als Beamten die Nebentätigkeit, weil es in Ravensburg mehrere arbeitslose Berufsmusiker gebe. Im Endeffekt wirkte sich das nicht aus, denn nach einem kurzen einjährigen Zwischenspiel von Paul Kressner übernahm kein arbeitsloser Berufsmusiker, sondern das langjährige, treue Mitglied, Corpsführer Anton Martin, die Aufgabe des Dirigenten, die er bis 1955 mit großem persönlichem Einsatze erfüllte.

Unternehmungen

Die gemeinsamen sommerlichen Ausflüge fingen zunächst bescheiden an, als Besuche bei benachbarten Kapellen.

1927 war man in Horgenzell, 1928 in Wolfegg, wo dem Fürst zum 65. Geburtstag aufgespielt und mit der Wolfegger Kapelle ein Doppelkonzert veranstaltet wurde. Vieles beruhte auf persönlichen Beziehungen, wie heute auch, war doch der fürstliche Förster, Herr Diemer, Vorsitzender beim Kriegerverein, mit dem man eng verbunden war.

Die schlechten Wirtschaftsjahre brachten auch bei den Ausflügen Enthaltsamkeit. Erst 1935 begannen die Fahrten, bei denen ein Bus teils sogar für zwei Tage gemietet wurde:
1935 Tagesausflug zur Breitachklamm und Sturmannshöhle und nach Oberstdorf.
1936 Zweitagesausflug nach Schloss Linderhof, wobei in Garmisch übernachtet, der Wank bestiegen, die Partnachklamm besucht wurde und auf dem Rückweg auch die Königsschlösser nicht ausgelassen wurden.
1937 Zweitagesausflug nach Hindelang Oberjoch Nebelhorn mit Übernachtung in Oberstdorf.
1938 Tagesausflug in die „Ostmark“ nach Bludenz mit Bergtour.
1939 Fahrt in den Bregenzer Wald nach Schoppernau mit verschieden schweren Bergtouren.
Dann setzte der Krieg auch diesen Vergnügungen, von denen begeistert berichtet wird, ein Ende.

Im 3. Reich und danach

Die politischen Ereignisse scheinen in den Protokollen verhältnismäßig zurückhaltend auf – am einschneidendsten dann im Krieg, wenn Aktive und auch Dirigent Martin eingezogen wurden – am schmerzlichsten, wenn die Familien ihre gefallenen Söhne und die Musikkapelle ihre verlorenen aktiven Mitglieder zu betrauern hatten. Es tauchen neue Begriffe auf: Zu Weihnachten 1930 eröffnet nicht mehr Vorstand „Schultheiß“ Igel die Feier, es heißt Vorstand „Bürgermeister“ Igel.

Das Programm für 1933, soweit darüber berichtet wurde, sah so aus: 36 Proben, 8 Konzerte, 14 Marschmusiken, 3 Platzkonzerte, 1 Kriegergedächtnisfeier. Die Kirchenfeste werden nicht erwähnt. Bürgermeister Weiler erklärte sich weiterhin bereit, von Seiten der Gemeinde einen Zuschuss zu gewähren. Die Weihnachtsfeier 1933 trug fremde Züge. Von einer Begrüßung durch Vorstand Bürgermeister Igel ist nicht die Rede, dafür hielt Bürgermeister Amtsverweser Weiler eine „markante Ansprache“ und „schilderte in gut gewählten Worten Weihnachten im Dritten Reich“. Eine Gabenverlosung „erschien in diesem Jahr nicht zweckmäßig“. Die Eintrittsgelder wurden der Winternothilfe zur Verfügung gestellt. „Es war ein ganz schöner Zug und für manchen mittellosen Volksgenossen ein Trost für die Zukunft.“ heißt es in Anton Schütterles Protokoll. Musikalisch blieb es beim Hergekommenen. Der Männerchor beteiligte sich, und die Kapelle gab im Wechsel mit ihm ein Konzert.

Auch in den Folgejahren blieb es weitgehend beim Alten, wenn auch von keiner Gabenverlosung mehr erzählt wird und die Eintrittsgelder dem Winterhilfswerk zur Verfügung gestellt werden. Im Krieg gab es dann keine Weihnachtsfeier im Gasthaus Jäger mehr. Es wurden nur noch in der Kirche Weihnachtslieder gespielt. Aber wie immer war die Kapelle bei den kirchlichen Festen beteiligt. Die Tradition setzte sich stillschweigend fort, auch wenn es jetzt neue Anlässe für musikalische Auftritte gab: Jährlich am 9. November den „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung“, „Heldenehrungen“, eigentlich die Trauerfeiern für die Gefallenen, Versammlungen der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), vier bis sechs im Jahr. Die Feste erhielten einen anderen Anstrich: 1. Maifeier, Sonnwendfeier, Erntetanz. 1934 eröffnete wieder der 1. Vorsitzende, nun Bürgermeister a. D. Igel, die Generalversammlung. In diesem Jahr wäre das 25-jährige Bestehen der Kapelle zu feiern gewesen und es sollten auch die sich noch bei der Kapelle befindlichen Gründungsmitglieder Anton Weißhaupt und Josef Steinhauser geehrt werden, sowie der Gründer Jakob Schuhmacher

Dritte Reich und danach
Musikverein Grünkraut Marschmusik

Aus unbekannten Gründen kam es dazu nicht. Auch fand 1935 keine Generalversammlung statt, aber wenigstens der schon erwähnte Ausflug. Erst verspätet, im Januar 1936, gab es eine Feier mit reichhaltigem Programm: Musikstücke, Geschäftsbericht, Ehrungen, Männerchor, Lustspiel, Singspiel und Tanz. In der Generalversammlung 1938 legte Altbürgermeister Igel sein Amt als Vorstand wegen seines fortgeschrittenen Alters nieder. In dieser Generalversammlung im März hatten die Vereinsmitglieder keine Gelegenheit, einen neuen Vorstand zu wählen. Das geschah in einer darauffolgenden Ausschusssitzung, wo Bürgermeister Weiler als neuer Vorstand vorgeschlagen und von den Ausschussmitgliedern auch gewählt wurde.

Die Kriegsjahre lähmten. Die Musiker hielten fast keine Proben ab. Von sechs Proben 1941, zwölf Proben 1942 und achtzehn Proben 1943 wird berichtet. Sieben aktive und dreizehn passive Mitglieder waren 1942 eingezogen. Alles ging auf Sparflamme, aber jedes Jahr gab es doch die Generalversammlung. Während die Versammlung 1941 vom 1. Vorsitzenden Bürgermeister Weiler noch mit einem „Sieg Heil auf den Führer und die siegreiche Wehrmacht“ beendet wurde, wird so etwas in den Folgeprotokollen nicht mehr erwähnt. 1944 erschien Bürgermeister Weiler nicht bei der Generalversammlung, die stattdessen Dirigent Anton Martin leitete.
1945, bei Kriegsende und Einmarsch der Franzosen, gab es verständlicherweise keine Generalversammlung, und so fehlt mit dem Protokoll auch der Bericht über 1944.

Nach dem Krieg durften keine Zusammenkünfte ohne Genehmigung der französischen Militärregierung abgehalten werden und auch Vereine durften sich nur mit solch einer Genehmigung gründen. Der Musikverein erhielt diese Genehmigung 1948 und hielt am 9. Mai 1948, also genau zwei Jahre nach Kriegsende, eine erneute Gründungsversammlung ab. Der neue Bürgermeister Rösch eröffnete die Versammlung. Neue Statuten waren schon ausgearbeitet worden, die er erläuterte. Als Vorstand wählten die Vereinsmitglieder Sägewerksbesitzer Hermann Spieß aus Sigmarshofen, den Sohn jenes schon erwähnten freigebigen Gönners.

Das Dritte Reich und danach

Im Ausschuss saß Bürgermeister Rösch, und wir finden dort auch die alten Mitglieder wieder: Josef Igel, Liebenhofen, Josef Rothmund, Menisreute, Josef Steauser, Liebenhofen. Wie immer schon umrahmte die Kapelle die Versammlung mit musikalischen Beiträgen, geleitet vom treuen Dirigenten Anton Martin. Als Schriftführer zeichnete nun Josef Diemer. Erstaunlich schnell ging es aufwärts. Alle sehnten sich nach Normalität und nach Vergessen der Kriegsleiden. Im Juni 1948 brachte die Währungsreform wirtschaftliche Stabilisierung. So gab es schon im September wieder einen zweitägigen Ausflug. Essen wurde mitgenommen. Es war gestiftet von den Aktiven – ohne Lebensmittelmarken! Auch „zwei Fässchen Saft wurden für die durstigen Seelen in den Omnibus geladen“ und in Anknüpfung an die früheren Zeiten ging es wieder ins Gebirge nach Oberstdorf und zum Nebelhorn. Als Besonderheit berichtet das Protokoll von zwei Damen, die mit Stöckelschuhen ausgestattet den Abstieg ins Oytal wagten. Das hielten diese Schuhe, damals eine Kostbarkeit, natürlich nicht aus. Schon nach diesem ersten Jahr wurde das „störende“ Fehlen von Uniformen erwähnt. Alle Bemühungen galten nun der Anschaffung neuer Uniformen. 1952 gab es ein großes Fest anlässlich der neuen Wasserversorgung des Ortes, mit Umzug, Einweihung der Pumpstation und Kinderfest am Nachmittag. 1956 konnte die Kapelle ein eigenes Probelokal in der neu gebauten Gemeindehalle beziehen. Vorher war immer im Gasthaus Zum Jäger geprobt worden.

1959 feierte sie das 50-jährige Jubiläum mit einem Jubiläumskonzert zusammen mit den Gastkapellen Schlier und Bodnegg in dieser neuen Halle und die Musiker traten dann auch in neuen Uniformen auf. Die Kapelle war unter ihrem neuen Dirigenten Paul Kaczmarek, einem Flüchtling aus Schlesien, auf so beachtlichem Stand, dass der Südfunk Stuttgart 1967 eine seiner Sendungen dieses Jahres „Mit Volksmusik ins Land hinaus“ in Grünkraut aufnahm. 0 Jahre lang lagen die Geschicke des Vereins in den bewährten Händen von Vorstand Hermann Spieß, als dieser 1968 ganz unerwartet starb und das Amt an den 2. Vorstand Anton Stiehle fiel. Schon nach nicht ganz zwei Wahlperioden musste neu gewählt werden. Anton Stiehle mochte das Amt des 1. Vorstands nicht dauerhaft übernehmen.

Die Ära Bottlinger

In der Hauptversammlung 1975 wählten die Mitglieder Anton Bottlinger aus Liebenhofen zum 1. Vorstand, ein Glücksfall für den Verein. Seine musikalische Ausbildung erhielt er als Zwölfjähriger gleich nach dem Krieg bei Anton Martin und er war seit Anbeginn der erneuten Vereinsgründung 1948 aktives Mitglied der Kapelle. Bis 1996, also 21 Jahre lang, führte er den Verein.

Wie ein roter Faden zieht es sich durch die Vereinsgeschichte, dass bemerkenswerte Menschen mit Ausdauer, großem Idealismus und bewundernswerter Beständigkeit dem Verein Halt und Stütze waren und sind, und als Vorbild dienen. Anton Bottlinger ist so ein Mann, der mit feinem Humor und großem Geschick auch schwierige Situationen meistert und sehr unterschiedliche Meinungen unter einen Hut bringen kann. Unserem Ehrenvorsitzenden sei Dank!

Er spielt in der Zwischenzeit nicht mehr aktiv als Hornist in unseren Reihen. Allerdings ist und bleibt er dem Verein weiterhin eng verbunden, begleitet uns zusammen mit seiner Frau Maria auf unsere Auftritte und unterstützt uns bei allen Aktivitäten. Er trägt verdientermaßen das goldene Ehrenabzeichen des Blasmusikverbandes und die goldene Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg. Wie kein anderer steht er für Zuverlässigkeit und Dienst am Verein und an der Gemeinde. Man kann seine Leistungen nur bewundern, zumal er zeitweise gleichzeitig Feuerwehrkommandant war. 

Anton Bottlinger
Ehrenvorsitzender Anton Bottlinger

Zum Vorteil der Kapelle gab es 1980 einen Dirigentenwechsel, der ebenfalls zuverlässiges und beständiges Bemühen in die Kapelle brachte. Paul Kindt war schon früher für kürzere Zeit eingesprungen und wurde nun von Vorstand Bottlinger überzeugt, die Kapelle wieder zu leiten. Seine solide Weiterbildung als Militärmusiker an der Musikhochschule Trossingen als Trompeter, Dirigent und Musikpädagoge, war für die Kapelle ein Gewinn. Er nahm schwer Abschied von seiner Kapelle in Esenhausen, die er aufgebaut hatte, stellte sich dann aber der Kapelle seines Heimatortes mit vollem Einsatz 18 Jahre lang zur Verfügung.

Währenddessen übernahm er auch die Jugendausbildung. Paul Kindt war es, der die Kapelle wieder ermunterte, an Wertungsspielen teilzunehmen. Ihre letzte Anmeldung lag weit zurück, im Jahr 1966, als sie sich an einem Wertungsspiel in Eberhardszell unter dem Dirigenten Kaczmarek beteiligte und einen 1. Platz in der Oberstufe errang. Nun stellte sich die Kapelle nach 18 Jahren 1983 wieder dem Wettbewerb in konzertanter Blasmusik in Haisterkirch und errang in der Mittelstufe einen 1. Rang. 1991 erspielte sie sich in der B-Stufe einen 1. Rang mit Auszeichnung, 1997 in Alttann in der Mittelstufe die Note „sehr gut – gut“.  Schwerpunkt waren aber die Marschmusikwettbewerbe, bei denen fast immer die Note „sehr gut“ oder „sehr gut – gut“ erzielt wurde: 1991 gleich zwei Marschmusikwettbewerbe, in Diepoldshofen und in Primisweiler, 1994 Teilnahme beim 4. Landesmusikfest in Wangen, 1998 Teilnahme beim 5. Landesmusikfest in Ehingen, jeweils mit Marschmusikwettbewerb.

Paul Kindt
Paul Kindt

Mit den vielen Auftritten wuchs der Wunsch nach neuen Uniformen. Durch sparsames Haushalten konnten sie 1985 angeschafft werden und edle Spender (die Firma Gutekunst, Karl Rothmund, Gebhard Fuchs und die Raiffeisenbank Grünkraut) schenkten der Kapelle sogar einen großen Schellenbaum. Zum Blutfreitag 1985 rückte die Kapelle zum ersten Mal damit aus. Im gleichen Jahr wurde das 75-jährige Jubiläum der Kapelle gefeiert und gleichzeitig ein Mann der ersten Stunde für 75-jährige Vereinszugehörigkeit mit der goldenen Ehrennadel geehrt: Josef Steinhauser.

Es gehörte sehr viel Stehvermögen und Geschicklichkeit dazu, dass auszuhalten und das Schiff des Vereins um einige Klippen zu lenken, ohne gerade besonders talentierte und hervorragende Musiker zu verlieren. In diese Zeit fiel die Gründung der „Scherzachtaler Blasmusik“, die ab 1989 ihre Auftritte in eigener Verantwortung organisierte und auch Musiker aus dem weiteren Umfeld rekrutierte. Sie erringt überall große Erfolge und ist weit über Grünkraut hinaus als eine der besten Blasmusikkapellen, die sich der Böhmischen Blasmusik verschrieben haben, bekannt. Wir sind dankbar, dass immer noch einige dies-er begabten Musiker ihrer „Heimatkapelle“ treu sind. Die Zahl der weiblichen Mitglieder wuchs beständig. Nun leuchteten bei Umzügen und Marschwettbewerben immer mehr weiße Strümpfe zwischen all den schwarzen Hosen hervor!

75 Jahre Jubiläum
Fahnenweihe der neuen Vereinsfahne

2000 ehrte man mit Beate Kraus die erste Frau für 20-jährige aktive Zugehörigkeit. Sie begann ihre Ausbildung als einziges Mädchen unter lauter Jungen. Es ist kaum zu glauben, aber die alte Fahne von 1913 war bis 1987 in Gebrauch. Kein Wunder, dass sie brüchig wurde, obwohl 1964 einmal eine Seite erneuert wurde. 1987 leitete daher der Vorstand die Anschaffung einer neuen Fahne tatkräftig in die Wege und 1989 konnte Fahnenweihe gefeiert werden. Nicht nur das schöne Fest der Fahnenweihe, sondern auch andere, vielfältige Aktivitäten kennzeichnen die Achtzigerjahre. Die vielen Marschmusikwettbewerbe wurden schon erwähnt. Das jährliche Wunschkonzert in der ersten Dezemberwoche – zunächst nur im Zweijahresrhythmus geplant – entwickelte sich zum alljährlichen Höhepunkt, wo die Kapelle ihr ganzes Können in konzertanter Blasmusik der verschiedensten Stilrichtungen zeigt. Die kluge und umsichtige Finanzpolitik von Vorstand Bottlinger sorgte für stetig wachsende Rücklagen, sodass die Neuanschaffung von Uniformen, die Reparatur und Neuanschaffung von Instrumenten und die Jugendausbildung gesichert waren. Besonders die Jugendausbildung wurde intensiv betrieben. Längst konnte sie nicht mehr allein durch vereinszugehörige Musiker bewältigt werden und erforderte mehr finanzielle Mittel. Die Gemeinde engagierte sich hier nach wie vor und auch die Eltern der Kinder und Jugendlichen trugen ihren Teil dazu bei.

Die letzten 30 Jahre

In den Neunzigerjahren gab es viele Veränderungen. 1996 war ein Jahr des Abschieds. Anton Bottlinger stellte sich altershalber nicht mehr zur Wiederwahl. Sein Nachfolger wurde der 2. Vorstand, Harald Klein, dessen ausgleichendes, verbindliches Wesen ebenfalls viel für den Verein bewirken konnte. Vorher hatte aber Anton Bottlinger in seinem letzten Jahr noch Beachtliches auf den Weg gebracht. Die Rücklagen erlaubten, dass sich die Kapelle zur Freude aller Musiker und Musikerinnen eine stattliche Tracht leisten konnte. 1997 trat sie zum Wunschkonzert erstmals darin auf. Der alte Proberaum in der Halle wurde in viel Eigenarbeit umgebaut und erweitert, war doch die Kapelle in den letzten 20 Jahren auf die doppelte Zahl von Musikern angewachsen. Heute liegt die durchschnittliche Zahl der Aktiven zwischen 50 und 60.

MVG
Marsch durch Grünkraut - Fahnenbegleitung voran

Im gleichen Jahr wie Anton Bottlinger legten altershalber auch Schriftführer Josef Steidele nach 25 Jahren und Kassier Anton Mägerle nach 28 Jahren ihre Ämter nieder. Neu gewählt wurden Andrea Heydt als Schriftführerin und Hildegard Albrecht als Kassiererin. Zum ersten Mal ziehen Frauen in den Vorstand ein. Heute ist Karin Glanzl, die Harald Klein 2007 folgte, 1. Vorstand. Das ist, bei aller sonstigen Kontinuität in den Aktivitäten und Jahresabläufen, eine große Veränderung. 1998 gab es auch beim Dirigenten einen Wechsel. Manfred Baier trat an die Stelle von Paul Kindt, für begrenzte Zeit.

Ihm folgte Dietmar Loser und bald darauf Berthold Hierlemann, der mit unglaublicher Energie seine Kräfte in die Förderung der Kapelle steckt. Musiker und Dirigent konnten zum Lohn für ihren Einsatz beim Musikwettbewerb 2008 in Wuchzenhofen die Note „Hervorragend“ in der Oberstufe heimholen – dies nach 16-jähriger Pause, in der sich die Kapelle zu keinem Wettbewerb in konzertanter Blasmusik angemeldet hatte. Auf diese Leistungssteigerung sind alle sehr stolz. Mit Zuversicht und berechtigten Hoffnungen kann die Kapelle das hundertste Jahr ihres Bestehens feiern. Sie wird getragen von einem Verein von rund 350 Mitgliedern und von der Musikbegeisterung seiner vielen aktiven Musiker.